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Im Bericht der AZ vom 21. 5. 2005 "Freundeskreis hat sich seit 15 Jahren bewährt" kritisiert der Vorsitzende des Freundeskreises Ahlener Panzergrenadiere Rolf Kersting die Ausstellung "Eisernes Kreuz: 3 x Krieg im Blick" des Gymnasiums St. Michael, die bis zum 20. Mai im Foyer des Rathauses zu sehen war. Sie stelle "historisch falsche Eindrücke" und einen unverantwortlichen Kontext" her. Das sei auch in ihrer Internet-Präsentation nachzulesen. Als Verantwortlicher des Projekts weise ich diese Kritik entschieden zurück:
- Der Kritiker zitiert zwei Sätze eines Faltblattes, das stadtweit auf die Veranstaltungen am 8. Mai zum 60. Jahrestag des Kriegsendes hinwies. Der erste Satz (Seite 2) bezieht sich auf den Besuch der serbischen Gruppe aus Kraljevo: "Dort ermordete die deutsche Wehrmacht im Oktober 1941 nahezu alle männlichen Einwohner. Seit 1999 hat die Stadt unter den Folgen des Kosovo-Krieges der Nato zu leiden." Der zweite Satz (Seite 3) bezieht sich auf den Ausstellungsschwerpunkt virtueller Kriegsspiele und virtualisierter Kriegsführung: "Spätestens seit dem Kosovo-Krieg 1999 führt auch Deutschland wieder Krieg." In der genannten Online-Präsentation tauchen beide Sätze auf ganz verschiedenen Webseiten auf. Obwohl völlig unterschiedlich kontextualisiert, werden die beiden Sätze nun von dem Kritiker zu seinem "unverantwortlichen Kontext" montiert. Dabei übersieht er, dass dieser "Kontext" von ihm selbst hergestellt wurde, er also einem Eigenprodukt aufsitzt, das aber offenbar selbst gar nicht merkt.
- Der Kritiker übersieht ferner, dass es eines der Ziele der Ausstellung war, klar zwischen Bundeswehr und Wehrmacht zu unterscheiden. Wenn er von "historisch falschen Eindrücken" spricht, dann wohl deshalb, weil er das in der Ausstellung präsentierte und zusätzlich gedruckt ausliegende Material gar nicht zur Kenntnis nahm. Die Tatsache, dass Nato-Intervention und Wehrmacht-Massaker historisch, politisch und moralisch als zwei völlig verschiedene Dinge zu beurteilen sind, wird darin eindeutig gezeigt und erläutert. Das gilt auch für die Internet-Präsentation.
- Die Kritik dient "angesichts des eigenen Kosovo-Einsatzes ab Herbst" als argumentative Begründung, dass die Bundeswehr "gewissen Veranstaltungen in dem Zusammenhang ferngeblieben ist". Gemeint ist die traditionelle Kranzniederlegung am Mahnmal auf dem Marktplatz, am 8. Mai 2005 in Gegenwart der Gruppe aus Kraljevo. Dass hier offenbar Missverständnisse vorlagen (siehe Punkt 2 meiner Erwiderung), hätte durch ein Gespräch leicht geklärt werden können. Jeden Versuch der Schule in dieser Richtung blockte die Bundeswehr bereits im Februar leider kategorisch ab.
Warum? Nun konstruiere ich meinerseits zum Text des Kritikers einen "Kontext". Auffällig intensiv betont der Vorsitzende des Freundeskreises die "Multinationalität" des Kosovo-Einsatzes der deutschen Armee. Mir erscheint das als untauglicher Versuch, durch den Rekurs auf ein multinationales System der nationalen Geschichte zu entkommen. Die Bundeswehr wird jedoch durch die Betonung ihrer multinationalen Einbindung kein national geschichtsfreier Raum. Die bloße Gegenwart der serbischen Gäste am Mahnmal auf dem Marktplatz hätte die langen Schatten der Geschichte auf sie geworfen und gezeigt: Der Bruch mit der Wehrmacht befreit nicht von der Last der Geschichte. Hatte man Angst, mit einer Illusion konfrontiert zu werden? Ist nicht gerade auch diese Angst vor den zurückgewiesenen Schatten der Geschichte der unterschwellige Motor für die "Kontext"-Wahrnehmung des Kritikers und für die Gesprächsverweigerung der Bundeswehr?
Ich sehe in beiden Symptomen das noch immer Unverdaute deutscher Geschichtslast am Werk. Es ist deshalb an der Zeit, neben dem Thema "Holocaust" endlich auch das Thema "Krieg" zum Gegenstand Ahlener Erinnerungskultur zu machen.
Dietmar Hecht
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