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Vierecke

Auschwitz – Gott – Chagall
Referat im Kunstmuseum Ahlen am Auschwitz-Tag 2004

Mit den Augen Chagalls: Felix Nussbaum und das Geheimnis der Erlösung
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Felix Nussbaums "Maler im Atelier": Die Krise der Tradition: Nussbaum, Kafka, Benjamin

Die Frage stellt sich immer drängender, was das denn wohl sein mag, das sich hinter den unheimlichen Eindringlingen verbirgt. Eine naheliegende Deutung ist in einer Tradition des Judentums zu finden, die den Sabbath als Braut auffasst. Erst wenn wir die Geschichte Chagalls gehört haben, werden wir die Bedeutung dieses Sabbath-Symbols in seiner ganzen Tiefe und Tragweite verstehen können. Schon jetzt sei dennoch der Anfang jenes berühmten Textes der Synagogen-Liturgie angeführt, in der es zitiert wird:

Komm, mein Geliebter,
der Braut entgegen.
Königin Sabbath wollen wir empfangen!

Nussbaum, der in seiner Jugend den Gottesdienst in der Osnabrücker Synagoge regelmäßig besuchte,dürfte sich an diese Worte aus der Liturgie am Abend des Sabbath noch gut erinnern, obwohl er sich später der Tradition mehr und mehr entfremdete. Im Atelier, so eine erste Botschaft seines Selbstbildnisses, holte sie ihn wieder ein. Sie will ihn abholen, gleichsam verhaften. Josef K. aus Franz Kafkas Roman "Der Prozess" fällt mir dazu ein. Die Erzählung beginnt mit dem Satz: "Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." Gershom Scholem, der wissenschaftlich jenes spirituelle Modell erforschte, das uns in Chagalls "Jude in Rot" intensiv beschäftigen wird, verfasste 1934 für Walter Benjamin das bereits zitierte Lehrgedicht zu Kafkas "Prozess".Es kreist um die Paradoxie einer zwar als leer, dennoch aber zugleich als "verhaftend" empfundenen Tradition. Daraus einige charakteristische Strophen:

Sind wir ganz von dir geschieden?
Ist uns, Gott, in solcher Nacht
nicht ein Hauch von deinem Frieden,
deiner Botschaft zugedacht?

Kann dein Wort denn so verklungen
in der Leere Zions sein –
oder gar nicht eingedrungen
in dies Zauberreich aus Schein?

Schier vollendet bis zum Dache
ist der große Weltbetrug.
Gib denn, Gott, dass der erwache,
den dein Nichts durchschlug...

So allein strahlt Offenbarung
in die Zeit, die dich verwarf.
Nur dein Nichts ist die Erfahrung,
die sie von dir haben darf.

Wer ist hier der Angeklagte?
Du oder die Kreatur?
Wenn dich einer drum befragte,
Du versänkst in Schweigen nur.

(zit.n. Moses, St., Die Krise der Tradition.
Kafka, Freud und die Frage der Väter,
in: Der Engel der Geschichte, Frankfurt 1994, S. 194-196)

Denken wir zurück an den Ruf aus diesem Nichts, aus dem Schweigen Gottes in Auschwitz, an Fackenheims "614. Gebot"! Am Vorabend des Holocaust wird dieses Nichts und Schweigen Gottes bereits erahnt. Es zeigt sich in der spirituell existentiellen Not jener westjüdischen Söhne, mögen sie nun Walter Benjamin oder Franz Kafka, Gershom Scholem oder Felix Nussbaum heißen, denen das westlich assimilierte Judentum ihrer Väter nichts mehr zu sagen hat und die gerade daran leiden. Man denke an Kafkas "Brief an den Vater"! Es ergeht ihnen wie jenem Mann vom Lande in Kafkas Parabel "Vor dem Gesetz", dem zentralen Midrash des "Prozess"-Romans. Ein Türhüter verwehrt ihm den Zugang zum Gesetz durch jene Tür, von der er dem Einlass Begehrenden in dessen Todesstunde sagt: "Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn." Die talmudische Diskussion, die sich in der Prager Kathedrale dem Türhüter-Midrash anschließt, endet mit dem häufig zitierten Urteil Josef K´s: "Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht." Kurz darauf stoßen Josef K. seine Mörder das Messer ins Herz. Wie über Chagall, so lässt sich auch über Kafka die Spiritualität der ostjüdischen Lebenswelt tiefgründig erschließen. Einen Impuls in dieser Richtung gibt die Website "Das Talmud-Projekt". Es wird zur Zeit am Gymnasium St. Michael entwickelt.

Nussbaum und Chagall: Das spirituelle Modell

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