Woche der Brüderlichkeit Projekte |
Gegen ein Feindbild Islam |
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----- Original Message ----- Lieber Dietmar, liebe Martina, Danke für eure Initiative, dieses Thema aufzugreifen und so auch auf lokaler Ebene einen Dialog zu fördern. Ich glaube, dass dies die einzige Möglichkeit ist, eine gefährliche Entwicklung zumindest ein wenig zu entschärfen. Gerne werde ich versuchen, meine Gedanken zu dieser Frage immer wieder auf der Homepage zu überprüfen und vielleicht auch etwas dazu zu schreiben. Im Moment - und ganz ohne meine Bücher und meinen Zettelkasten - kann ich nur spekulativ über eine Idee nachdenken, die mir in den letzten Tagen immer wieder gekommen ist: Kann es sein, dass die USA als einzige reale Supermacht aus inneren Gründen einen Feind braucht, ein Feindbild aufbauen muss? Denn es ist doch schon merkwürdig, dass mit dem Wegfall des Ostblocks fast zeitgleich die These auftauchte, es gäbe einen weltweiten Kulturkampf - der Islam gegen die Humanität (leider kein Zettelkasten vorhanden, ich weiß gerade nicht auswendig, wie der Auto dieser These heißt). Weiterhin kam es dann zu der These der "Schurkenstaaten" und der Notwendigkeit, sich gegen diese zu schützen - als quasi politikbildendes Paradigma im Nordamerika zum Ausklang des letzten Jahrhunderts. Nun wissen wir, dass wir die Bilder, die wir brauchen, tatsächlich auch oft bekommen und selbst erzeugen. Und irgendwann sind sie dann auch wirklich real, haben "materielle Gewalt". Daher hier - eigentlich muss ich schnell nach Hause - mal drei Thesen, weshalb die USA ein Feindbild brauchen. Es wäre zu bedenken, wie die Situation auf der "anderen Seite" aussieht - ob es da ähnliche Haltungen und Interessenlagen gibt. Aber mal der Reihe nach, weshalb brauchen die Vereinigten Staaten einen Feind? a) Die einzige Supermacht USA braucht einen Feind, um ihr sonst überflüssiges Unterdrückungspotenzial zu begründen. Zwangsinstitutionen wie die Wehrpflicht oder eingeschränkte Rechte auch von Berufssoldaten, der staatliche Kontroll- und Unterdrückungsapparat lassen sich sonst ebenso wenig rechtfertigen wie andere Restritktionen gegenüber der eigenen Bevölkerung. Ohne Feind müsste das staatliche Gewaltpotenzial Vereinigte Staaten von Nordamerika auf ein wesentlich kleineres Maß reduziert werden, das widerspricht vielen Interessen. b) Aus a) folgt natürlich das alte Argument, das platt, aber daher nicht unbedingt falsch ist: Der militärisch-industrielle Komplex hat ganz einfache, simple Gewinninteressen. c) Aber weit darüber hinaus: Ein Feind ermöglicht einen Zusammenschluss der Individuen, der ohne Feindbild nur durch eine positive, gemeinsame Orientierung auf Werte und Normen zu erreichen ist. Solche Werte und Normen haben das Problem, dass sie nicht in eine Welt passen, in der es nur noch um bestmögliche Bedingungen der Wirtschaftsabläufe geht (shareholder value ist nicht in Übereinkunft zu bringen mit Umweltschutz, Aufbau eines vernüfntigen Systems sozialer Sicherung, Verbesserung der Entwicklungschancen überall auf der Erde). Kurzum: Wenn sich ein System gegen eine Werteorientierung, gegen Umweltschutz und Entwicklungshilfe, Solidarität und Mitmenschlichkeit entscheidet und auf reine Marktgängigkeit, auf Kapitalismus pur setzt, dann schwächt es die Zusammenhangskräfte einer Gesellschaft und riskiert, dass es immer mehr kracht. (Verbrechen, Amokläufe, Sicherheitskräfte in Schulen, Kindergärten und demnächst im Kreissaal) Das hält keine Gesellschaft aus - der äußere Feind aber schafft schnell eine ungeheure Entlastung und übedeckt die inneren Widersprüche im System. Was ich damit sagen will: Ich fürchte, es gibt viele und mächtige Gründe, die das System USA (im Sinne von Kommunikationssystem) in den Aufbau eines Feindbildes treiben, und im wesentlichen gelten diese Beweggründe auch für "uns", also für alle entwickelten kapitalistischen Gesellschaften mit enormen Legitimationskrisen (denken wir doch alleine daran, wie hoch das Image unserer politischen Kaste derzeit ist, es sei denn, es gibt eine Krise zu bewältigen, einen Feid zu bekämpfen!!!). Und ich glaube, dass wir uns daher auf eine schwierige Debatte einstellen müssen, damit wir nicht gegen Windmühlen streiten. Denn es dürfte darum gehen a) auf der eigentlichen Ebene des Streites über den Islam zu informieren, Gespräche zu organisieren, um falsche Urteile und Vorurteile möglichst zu vermeiden, doch das wird allein nicht fruchten, weil b) unsere Systeme ihr Feindbild brauchen und wir daher schaffen müssten, den Blick auf unsere eigenen Probleme und Widersprüche zu lenken. Und das macht die Sache nicht nur schwierig, sondern verdammt schwierig, und mich macht es ziemlich ratlos. Soviel mal ganz spontan, weil ich eure Idee gut fand - wenn ihr es veröffentlichen wollt, habe ich nichts dagegen, obwohl ich es doch lieber dann noch mal ordentlich schreiben würde. Ich denke, ich muss hier nicht sagen, dass die obigen Gedanken natürlich gar nichts damit zu tun haben, dass der Terror Terror bleibt und dass ich ihn mit voller Verabscheuung ablehne. Viele Grüße und bis die Tage, Ihr Aufrechten! Klaus Hermansen |
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