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Deutsche Juden kritisch zu Israel

eMail von Alex Elsohn
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Sent: Thursday, April 04, 2002 1:00 PM
Subject: Postzionismus

Hallo Dietmar,

es geht mal wieder eckig zu bei uns .... - aber desto lieber wende ich mich Deinen Fragen, welche eher universellen Charakter haben, als die gegenwärtige Lokalpolitik mit ihrem kurz(schluss)-fristigem Handeln.

Betr. Givat Haviva und dem linkszionistischen Lager hast Du recht, betr. meiner selbst, definier ich mich als Antizionisten. Zionismus ist eine nationalistische Bewegung, seit ihrer Gründung und im ganzen Verlauf ihrer Geschichte. Ich habe natioanilistischem Gedankengut nie viel abgewinnen können. - Im Wesentlichen stimme ich mit Deiner Diskussionpartnerin überein: jüdische Religion per se hat mit Zionismus nicht viel am Hut. Zionismus basiert auf dem europäischen Gedankengut nationaler Formierung und nationaler Bewegungne Ende des 19. Jhts. - am stärksten geprägt von den slawischen Bewegungen. Die Religion hat durchaus eigene Bahnen begannen. Zur gleichen Zeit etwa erfolgte die Emanzipation der Juden in Europa und damit die Assimilierung und Integration jüdischer Religion ins europäische Gemeinwesen. Die Zeit der Gründungen des Reformjudentums und liberaler Religiosität ist zeitgleich mit der Gründung des Zionismus. In dem Sinne ist der Zionismus die politische Abkehr von der Orthodoxie, währenddem die religiöse Abkehr eben andere Formen der Selbstdefinition fand.

Der Zionismus hatte seinen Erfolg nicht trotz der Shoah sondern wegen der Shoa. Es wäre zu bezweifeln, ob es einen sogenannt jüdischen Staat Israel gegeben hätte, nur basierend auf dem Zionismus. Aber genau dieser Zionismus ist das Raison d'etre Israels. Als nationalistische Bewegung ist Zionismus wie alle anderen Nationalbewegungen ausschliesslich und in dem Sinne (da das Fremde ausschliessend) undemokratisch, respektive basiert zwingend (zur Erreichung eigener Ziele) auf der Verletzung der Rechte anderer ....

Hier schliesst die Diskussion um postzionistische Kunst und Geschichtsschreibung an. Langsam wird einem immer grösseren Teil der israelsichen Gesellschaft klar, dass die Ziele des Zionismus mit der Errichtung und Behauptung des Staates Israel erreicht wurden und nicht mehr Basis für eine visionäre Zukunft sein können. Die mit dem Zionismus im Zusammenhang stehenden Werte (Armee, Israels Anspruch auf Bestimmung/Definition des Judentums, israelische Identität=jüdische Identität) werden daher in Frage gestellt.

Ich denke, dass diese Diskussion, die immer mehr in die israelische Öffentlichkeit dringt und weitere Kreise zieht, ein positiver Moment der kritischen Auseinandersetzung ist mit der Frage "Israel wohin". Es ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit der nationalen Vergangenheit, der traditionellen Selbstdarstellung und der Beziehung zwischen jüdischen Israelis und der jüdischen Diaspora. In dem Sinne, wird das jüdische Israel entmythifiziert und normalisiert, zu dem gemacht was es wirklich ist und nicht was es vorgibt zu sein.

Effektiv ist das jüdische Israel in grossen Teilen weit entfernt vom Diaspora Judentum, beinahe in jeder Hinsicht. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass auch die jungen Generationen des Diasporajudentums heute ein wesentlich anderes Bild darstellen, als noch for 30 Jahren. Aber dies wäre eine Diskussion für sich. Ich verneine einen Zusammenhang zwischen der Modernisierung des Diasporajudentums und der Existenz Israels. Das Diasporajudentum ist in aller erster Linie beeinflusst von dem Staat in dem es sich aufhält, d.h. die Schweizer Juden von der Modernisierung der Schweiz, die englischen Juden von der Enttraditionalisierung Englands usw.

Hm - das Thema ist natürlich unerschöpflich .... - Aber ich hoffe diese wenigen Zeilen haben Dir ein wenig weiter geholfen.

Liebe Grüsse,

ALEX

Kontakt: gsanktmich@freenet.de

Freundeskreis für Re´ut/Sadaka e.V.

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