Woche der Brüderlichkeit Projekte |
Woche der Brüderlichkeit 2003 Dienstag, 11. März | 20.00 Uhr | Buchhandlung Sommer, Oststr. |
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Moderation:
Yoram Kaniuk, geb. 1930 in Tel Aviv, gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller Israels und erhielt für seine Prosa bereits etliche Auszeichnungen, darunter den Brenner Prize, den höchsten Literaturpreis Israels. Als der Autor 1985 eine Einladung des Bundespräsidenten nach Deutschland annahm, ahnte er nicht, daß diesem ersten Aufenthalt unzählige weitere folgen sollten. Fortan ließen ihn, den Juden deutscher Abstammung, Deutschland und die Frage nach dem Grund, warum gerade dieses Volk den Holocaust verübt hatte, nicht mehr los. Bei seinen Besuchen traf er einfache Menschen, ehemalige SS-Offiziere, Politiker, aber auch Schriftsteller wie H. Böll und G. Grass. Kaniuk verarbeitet in seinem Buch diese Begegnungen und Erfahrungen. „Yoram Kaniuk ist der israelische Autor unserer Zeit“ (Süddeutsche Zeitung)
Moderator Friedrich Schreiber arbeitete viele Jahre als Nahost-Korrespondent für die ARD und als Redaktionsleiter der ARD-Magazine „Kompass“ und “Weltspiegel“. Eine gemeinsame Veranstaltung von VHS, Buchhandlung Sommer und dem „Forum Brüderlichkeit“. „Jeder Deutsche ist die Antwort auf die ungestellte Frage jedes Juden und umgekehrt“ Von Yoram Kaniuk „Die Kluft zwischen uns Juden und Deutschen ist so groß, dass wir sie nur in kleinen Schritten überbrücken können. Die Juden leben geistig noch immer im Holocaust, er ist der wichtigste Faktor in ihrem Leben. 1933 gab es in Europa elf Millionen Juden und heute sind es weniger als zwei. Europa hat Hitlers Visionen ohne Gas und Panzer erfüllt. Die Deutschen, die Angst hatten, an die jüdisch-deutschen Vergangenheit zu rühren, haben die Chance verpasst, es zu tun. (…) Eine neue Generation von Juden und Deutschen muss heranwachsen, eine neue Generation, die dies alles als Geschichte betrachten kann. Wir können zusammen ins Bett gehen, wir können miteinander sprechen, aber die große Kluft ist immer noch zwischen uns. Es wird lange dauern, bis alle Wunden verheilt sind. (…) Ich weiß, ich bin nicht sehr freundlich in meinen Schilderungen von Deutschland. Ich bin ein zorniger Jude. Die alten Dämonen existieren noch immer. (…) Ich habe auf einen Dialog gehofft, er hätte nach dem Krieg stattfinden müssen, aber damals wurde diese Chance nicht wahrgenommen. Aber wir werden ihn wieder führen müssen, weil die Deutschen und die Juden dazu verurteilt sind, zusammenzuleben, und ihre Schicksale auf ewige Zeit miteinander verknüpft sind. Jeder Deutsche ist die Antwort auf die ungestellte Frage jedes Juden und umgekehrt. Zusammen bilden wir ein Rätsel, das in einem anderen Rätsel verborgen ist, das sich wiederum hinter einem dritten Rätsel verbirgt, und diese Hassliebe wird am Ende die Wunden heilen. Die Wunden auf beiden Seiten.“ Aus: „Der letzte Berliner“ |
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