Vom Heldenplatz nach Auschwitz

Das Datum des Einmarschs der deutschen Truppen in Österreich am 12. und 13. März 1938 nutzte Hitler geschickt aus. 90 Jahre zuvor war am 13. März 1848 in Wien die Revolution als großdeutsche Bewegung gegen das restaurativ- autoritäre System Metternichs ausgebrochen. Hitler wusste 1938 sehr genau, dass seine Berufung auf den revolutionären 13. März nicht nur die „Großdeutschen“, sondern auch generell die Oppositionellen gegen die damals in Österreich herrschende „Diktatur des Austrofaschismus“ (Dadieu) ansprach. Das waren neben den Nationalsozialisten auch die Sozialisten, beides von den Austrofaschisten verbotene Parteien. (Hamann, Hitlers Wien)

Dadieu gehörte zu dieser Opposition, sah sich selbst im gemeinsamen Kampf von „rot und braun“ als Teil der „die Demokratie verteidigenden Kräfte“ innerhalb des Nationalsozialismus und verband das mit der großdeutschen Idee. „Wir entfachten in der Steiermark eine solche Welle der nationalen Begeisterung, dass wir drei Wochen vor dem wirklichen Anschluss praktisch das Heft in der Hand hatten.“ Hitler ernannte Graz zur „Stadt der Volkserhebung“. Als er am 15. März auf dem Wiener Heldenplatz „vor der Geschichte“ den Anschluss verkündete, sah er sich wie Dadieu und viele andere Österreicher und Deutsche am Ziel eines hundertjährigen, großdeutschen Traums

Der Traum wurde schnell zum Albtraum. „Der Anschluss Österreichs im März 1938 markierte eine Radikalisierung in der antijüdischen Politik des NS-Staats…Die Tätigkeit Eichmanns in Wien führte im August 1938 zur Gründung der Zentralstelle für jüdische Auswanderung.“ Für Eichmanns Wiener Zentralstelle organisierte der Grazer Jurist Erich Rajakowicz, der erste Mann von Dadieus zweiter Frau, Imo Moszkowiczs Stiefschwiegermutter, mit seiner Anwaltskanzlei im Rahmen eines jüdischen „Auswanderungsfonds“ die vermögensrechtliche „Abwicklung“ jüdischen Besitzes zu Gunsten des Reichs. (Anderl/Rupnow, Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung als Beraubungsinstitution, Wien 2004)

Laut eigener „Aufzeichnungen“ zog sich SS-Oberführer Dadieu wegen solcher Maßnahmen „gegen die Juden“ „innerlich“ von der SS zurück. (Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 10/1978) Dienstlich blieb er als Gauwirtschaftsberater für die „Arisierung“ jüdischen Besitzes in der Steiermark zuständig. (Karner, Die Steiermark im Dritten Reich). Seine Tochter Renate: „Er hat auch Juden geholfen.“ Schwiegersohn Imo Moszkowicz bestätigt das in seiner Autobiographie „Der grauende Morgen“.