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Auschwitz – Gott – Chagall
Referat im Kunstmuseum Ahlen am Auschwitz-Tag 2004

Mit den Augen Chagalls: Felix Nussbaum und das Geheimnis der Erlösung
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Marc Chagalls "Jude in Rot": Zwiespalt in Gott

Ausstellung

Rot ist die dominant wirkende Farbe des Bildes. Beginnen wir deshalb mit dem roten Bart. Dazu ein Gedicht von Aron Glanz-Leyeless, betitelt: "Mit rotem Bart". Der Autor entstammt wie Chagall der ostjüdischen Lebenswelt und emigrierte 1905 zunächst aus Polen nach England, 1909 nach New York. Das Gedicht entstand 1957 und wurde in jiddischer Sprache geschrieben:

Mit rotem Bart

Ich sah sie heute, die selbstsüchtige Wahrheit,
die sich mal offen, mal verschlagen gibt,
doch ständig trägt sie mehrere Gesichter,
ob es bei Tag sei oder in der Nacht.

Das jetzige Antlitz – ich fühlte es mit den Augen,
erkannte es, und werd es nie vergessen.
Mit einem kupferroten Bart,
mit scharfen Zähnen, die nach Beute lechzen,
mit dem gierigen Blick eines Greifs,
der sich sein Opfer sucht aus großer Höhe
und sich niederstürzt in gerader Linie –´
so hab ich dies Antlitz gesehen.

Wie ein Adler, der den scharfen Schnabel
ins Herz seines Opfers schlägt.
und es dann bedeckt
mit seinen großen, starken, bösen Schwingen
im finstren, lustvollen Triumphgenuss
hab ich sie gesehen –
die selbstsüchtige Wahrheit.

Ich sah sie an,
und ich begann zu zittern.
Das ist sie –
Die lebendes Gewebe reißt,
die Sohlen verbrennt und Schädel zertrampelt.
So liegt sie auf der Lauer und packt zu –
Schändet den Leib,
verkrüppelt die Seele,
löscht Hoffnung aus,
lästert die Träume.

Feuerbärtig
und mit scharfen Zähnen
trug sie den Namen des Allerhöchsten
auf ihren Lippen.

(in: Federmenschen. Jiddische Erzählungen und Gedichte, hrsg. v. Andrej Jendrusch, Frankfurt 1999, S. 63)

Übertragen wir dieses Gedicht auf das Bild Chagalls, dann entpuppt sich der "Jude in Rot" als eine Gestalt, die den göttlichen Namen auf den Lippen trägt. HaShem, der "Name", wie es im Hebräischen heißt, ist traditionell eine Umschreibung Gottes selbst. Wir haben hier also das Bild der Wahrheit Gottes vor uns und diese Wahrheit erscheint als Rotbart mörderisch grausam. Wir werden gleich sehen, dass dieserTransfer keineswegs so willkürlich ist, wie es vielleicht zunächst aussehen mag. Bild und Gedicht werden im Code ihrer Farbsymbolik aus der gleichen kollektiven Quelle gespeist, nämlich jenem spirituellen Modell, dem wir uns anzunähern versuchen. Dieses scheint, so ein erster Befund, von einem äußerst problematischen Gottesbild beherrscht zu sein.

Dass es sich bei dieser Problematik um einen Zwiespalt handelt, drückt Chagalls Bilddadurch aus, dass er dem Rot eine zweite Farbe gegenüberstellt: Das Weiß der linken Hand , das sich auch im Gesicht wiederfindet. Hören wir zu diesem Rot-Weiß-Gegensatz Gershom Scholem, den bereits genannten Altvater kabbalistischer Forschung aus Berlin, der 1923 nach Jerusalem emigrierte:

Es herrscht fast Einstimmigkeit unter den Kabbalisten, dass Gnade und Strenge Gottes durch Weiß und Rot symbolisiert sind, während ihre Synthese in der ausgleichenden Barmherzigkeit teils durch die Mischung dieser beiden Farben, teils durch das Purpur und vor allem durch das Grün sich darstellen. (Farben und ihre Symbolik in der jüdischen Überlieferung und Mystik, in: Judaica 3, Frankfurt 1987, S. 129)

Das Grün der rechten Hand? Doch der Reihe nach! In diesem Zitat ist eigentlich alles enthalten, was wir zur Decodierung der Farbsymbolik brauchen, und auch das spirituelle Modell ist bereits benannt: Es geht um die Kabbala.

Heilung Gottes und der Welt

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