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Vierecke

Auschwitz – Gott – Chagall
Referat im Kunstmuseum Ahlen am Auschwitz-Tag 2004

Mit den Augen Chagalls: Felix Nussbaum und das Geheimnis der Erlösung
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Marc Chagalls "Jude in Rot": Heilung Gottes und der Welt

Ausstellung

Bei der Kabbala handelt es sich um jene mystische Lehre, die sich ganz im Einklang mit der talmudischen Tradition – Scholem betont das immer wieder – im späten 12. Jahrhundert zunächst in der Provence und Katalonien entwickelt, dann durch Isaak Luria im Eretz Israel des 16. Jahrhunderts einen neuen Impuls bekam, bis sie schließlich im ostjüdischen Chassidismus jene Lebenswelt fand, zu der auch Chagall gehörte.

Kennt man den kabbalistischen Farbcode, ist die spirituelle Botschaft des Bildes "Der Jude in Rot" unschwer zu entschlüsseln. Konstitutiv sind dabei u.a. der Gegensatz Rot-Weiß und dieSynthese im Grün. Worin besteht die Botschaft also? Um das zu klären, ist es sinnvoll, sich zunächst das Denkmodell der Kabbala in seinen Grundzügen klarzumachen. Sein spiritueller Grundgedanke lautet: Mit Gott stimmt etwas nicht – man denke an den Rotbart des Gedichtes! In Gott ist Unheil, und es ist die Aufgabe des Menschen, dieses Unheil durch sein aktives Handeln zu heilen. Darin liegt der Sinn der rechten, grünen Hand: Der Mensch stellt durch sein Handeln die Synthese zwischen der "roten" (d.h. strafenden und richtenden) und der "weißen" (d.h. der gnädigen und liebenden) Seite Gottes wieder her. So stiftet er durch sein heilendes, barmherziges Handeln in der Welt Heil in Gott. Er macht Gott dadurch sozusagen wieder "gesund". Heilung der Welt – tikkun olam, wie es Isaak Luria formuliert – ist Heilung Gottes.

Der Mensch ist der Erlöser Gottes, nicht etwa umgekehrt, und er erlöst Gott von seinem Unheil, indem er das Unheil in der Welt heilt. Erlösung Gottes und Heilung der Welt sind also nicht voneinander zu trennen. Religion ist durch diesen Gottesbegriff per se auf die Welt bezogen, eine Einheit von Politik und Mystik, die jeder privatistischen Innerlichkeit völlig zuwider läuft. "Religion ist, was Religion tut", sagt der jüdische Holocaust-Theologe Irving Greenberg. "Alles andere ist Geschwätz!" Dieser Bezug auf praktisches Tun ist Teil der spirituellen Botschaft des Bildes Chagalls, das auf den ersten Blick noch ganz in Rotgetaucht zu sein scheint.

Der Titel "Jude in Rot" bekommt so einen ganz neuen Beigeschmack. Das Unheil in Gott scheint alles zu beherrschen, und der Jude hat es zu erleiden, aber eben auch zu heilen. Hans Jonas hat in seiner Rede zum "Gottesbegriff nach Auschwitz" diesen kabbalistischen Denkansatz des Isaak Luria benutzt, um auch nach Auschwitz noch glauben zu können: Es sei nun am Menschen, Gott zu heilen, da sich Gott in den Gaskammern der Lager als ohnmächtig erwiesen habe. In diesem Sinn einer Aufforderung heilenden Handelns kann auch die Schrift auf dem gelben Hintergrund verstanden werden. Nach dem spanischen Kabbalisten Moses Cordovero entspricht Gelb in seiner Symbolik dem synthetisierenden Grün. Aus diesem Gelb spricht Gott in den hebräischen Buchstaben: "Abraham, steh auf und geh!" Es ist ein Wort nicht nur an Abraham persönlich, sondern auch an alle die Generationen, die aus ihm noch hervorgehen werden: "Steht auf und geht! Erlöst mich, indem ihr das Unheil einer Welt heilt, die Auschwitz möglich machte. Das ist mein 614. Gebot!"

Das Geheimnis der Erlösung

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