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Kosov@
Krieg im Kosov@ - "Krieg der Kulturen"?

Eine Auseinandersetzung mit Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen" und Peter Scholl-Latours "Schwert des Islam".
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Das Reich der Orthodoxie - ein Hirngespinst
Eine Auseinandersetzung mit Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen"

Die bei "Experten" häufig beschworene "orthodoxe Solidarität" zwischen Serben, Russen, Griechen, Makedonen stellt den Kosov@-Krieg in den Deutungshorizont eines "Kampfes der Kulturen". Ein solches Deutungsmuster entwickelt u.a. Samuel Huntington, der als Berater dem amerikanischen Außenministerium nahesteht, in seinem viel beachteten Buch "Der Kampf der Kulturen". Es trägt den programmatischen Untertitel "Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert". Nach dem Ende der Ost-West-Spaltung entwickelt es ein Erklärungsmodell künftiger Konflikte: Sie werden nicht mehr von Ideologien, sondern von Kulturen ausgetragen, die sich um einen religiösen Kern herum bilden.

Harald Müller von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung setzt sich auch mit Blick auf den Balkan kritisch mit Huntingtons Thesen auseinander (Sommer 1998):

Huntington hat den russischen Anspruch auf seine Einflußsphäre in den kulturellen Mantel gekleidet: Rußland solle ein eigenes Gegengewicht zum Westen bilden, indem es als Zentralstaat eine Gruppe "orthodoxer" Satelliten um sich gruppiert. Die Beschwörung einer um Rußland kreisenden orthodoxen Welt ist freilich eine groteske Karikatur der Wirklichkeit und des Möglichen. Rumänien und Bulgarien haben nach einer schwierigen Übergangszeit, in der die alte Nomenklatura noch die Fäden zog, energisch gesellschaftliche und politische Reformen in Angriff genommen. Diese jungen Demokratien tragen lautstark ihren Anspruch auf den Beitritt in die westlichen Organisationen vor. Bulgarien und Rumänien haben den "orthodoxen Orbit" verlassen [...]"

Auf dem Balkan zeigt sich die Brüchigkeit der "orthodoxen" Welt in dem delikaten Konfliktquadrat Serbien-Mazedonien-Griechenland-Bulgarien. Griechenland, das sei erinnert, ist längst Mitglied der westlichen Organisationen und vollzieht gegenwärtig einen bemerkenswerten Wandel in seiner Innen- und Wirtschaftspoltik. Seine politische Kultur nähert sich dem westlichen Standard an. Innerhalb der "Orthodoxie" drängen neben Armenien lediglich Belarus und Serbien Rußland ihre uneingeschränkten Sympathien auf. Je länger das Dayton-Abkommen erfüllt wird, desto deutlicher zeigen sich Risse in der serbischen Phalanx, wobei die Führung in Banja Luka nun stärker bereit scheint, westlichen Maßstäben zu genügen [...] Die hoffnungslos antiquierten, erfolglosen Sackgassen-Regimes in Belgrad und Minsk sind genau nicht die Freunde, die Rußland will und braucht.

Die "orthodoxe Zivilisation" ist heute ein Phantasieprodukt. Der größere Teil der Länder mit einer orthodox-christlichen Tradition strebt politisch und gesellschaftlich dem Westen zu. Für Rußlands Entwicklung dürfte der gleiche Weg die einzige erfolgversprechende Strategie sein. Wendet Rußland sich jedoch vom Westen ab, so wird dies nicht in erster Linie unter kulturellen Vorzeichen geschehen, sondern - ob unter einer kommunistischen oder einer faschistoiden Regierung - unter denen des Nationalstaats des 19. Jahrhunderts. Sollte Rußland diesen Weg - entgegen seinen eigentlichen Interessen - einschlagen, so wird es recht einsam bleiben, ohne eine gehorsame und hilfreiche "orthodoxe Gefolgschaft".

(Harald Müller, Das Zusammenleben der Kulturen. Ein Gegenentwurf zu Huntington, Frankfurt 1998, S.178 - 180)

(Dietmar Hecht)

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