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Woche der Brüderlichkeit Projekte |
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Ahlens krummer Stadtplan |
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Für Derrida bezeichnet Hamlets Wort "out of joint" die Perversion dessen, was nicht gut geht oder schief geht - wir sehen sie sich mit Leichtigkeit als das Schräge, Verbogene, Unrechte oder Verquere der Geradheit gegenüberstellen, der richtigen Richtung dessen, was geradeaus oder aufrecht geht, dem Geist dessen, was das Recht ausrichtet oder begründet - und direkt, ohne Umwege, auf das richtige Ziel zuhält usw. Imo Moszkowicz hat für Hamlets "out of joint" mit dessen Derrida´scher Semantik schlicht das Wort "krumm" parat und bezieht es zunächst konkret auf Ahlens Nordstraße, die für ihn als Kind eigentlich "Krummstraße" hätte genannt werden müssen. Dadurch, dass sie aber trotzdem "Nordstraße" hieß, geriet dem Kind Imo der Stadtplan out of joint. Etwas darin war krumm, durfte es aber allem Anschein nach nicht sein - und, bitt ich, stets die Finger auf den Mund, speziell für Juden war das ratsam. Dennoch ließ sich durch noch so viel Verschweigen nicht verleugnen: Die richtige Ordnung war aus den Fugen geraten, war Un-Fug geworden: Es war viel Krummes um uns in jener Zeit, die meine Kindheit war, und die Krümmung der Nordstraße, die den direkten Blick in den Norden nicht möglich machte, hat an Bedeutung wesentlich verloren. Denn dass etwas krumm war, blieb kein Strukturproblem des Stadtplans. Dass die Zeit aus den Fugen geraten und als so ein "Un-Fug" todbringend geworden war, wurde für Imo Moszkowicz durch die Ermordung seiner Familie in den KZs der Nazis zur mörderischen Realität. Das Strukturproblem des Stadtplans, das der kleine Imo seinen Geschwistern zu deren Belustigung begreiflich zu machen versucht hatte, war zu einem bloßen Indiz geworden und aus der Welt ungefügter Zeichen in die Welt des politisch Krummen und Ungefügten getreten. "Geblieben ist das Gelächter meiner Geschwister." Was war aber das so Erheiternde an Ahlens Stadtplan? Ich müsste da sehr viel genauer werden, denn nicht dieser Plan selbst war der Grund des Gelächters, sondern ein Fettwanst, der eine Polizeiuniform und zwei verschiedene Stiefel an hatte. Am Ende unseres labyrinthischen Weges werden wir noch auf ihn treffen. An dessen Anfang würde er allerdings zu sehr stören. Deshalb begnügen wir uns auf dem Weg zum Grund des Lachens hier mit einer ersten Frage: War es die Tatsache, dass nur wenige Meter von unserer Schule, die in der Klosterstraße war, die Himmelsrichtungen sich kreuzten? Wir lebten also nahe dem Punkt, wo Osten und Westen und Norden und Süden sich treffen! Jedenfalls machten die geraden Linien dieser Straßen mir diesen Eindruck, der jedoch durch eine Feststellung irritiert wurde, als ich mich zum Mittelpunkt der Erde aufmachte... Lediglich die Nordstraße, wo der Metzger Spiegel seine Schlächterei und Fleischladen - schräg gegenüber von dem Parteibüro des Nazis - hatte, stellte sich meinem Begreifen von Nord und Süd entgegen, denn die Krümmung der Nordstraße, die etwa bei der Druckerei Stegt begann, zerstörte mein frischerlerntes Bild `von den vier Ecken der Erde`. Ich war der festen Meinung, dass unsere Klosterstraße, die ja eine direkte gradlinige Führung mit der anhängenden Südstraße hatte, unbedingt in `Nordstraße´ umbenannt werden müsste und die Nordstraße logischerweise in `Krummstraße´. Bekanntermaßen ist es bis heute dazu nie gekommen. Die Bezeichnungen blieben in einer krummen Ordnung, wenn wir den Maßstab des kleinen Imo daran anlegen. "Schmach und Scham, dass ich zur Welt, sie einzurichten, kam", beklagt sich Hamlet. Worüber und gegen wen führt das Kind Imo Klage? Ist das Paradies des späteren "Zauberflöten"- Regisseurs - eine Ordnung, sehr bewusst inszeniert im Zeichen der Zahl Drei - vielleicht auch eine Wiederkehr der Anklage jenes Gespenstes (Genitivus subjektivus!), das dort haust, "wo nur wenige Meter von unserer Schule, die in der Klosterstraße war, die Himmelsrichtungen sich kreuzten" und das im Zeichen der Zahl Vier von den vier Ecken der Erde? Tritt von dort ein neues Phantom auf die Bühne, obwohl dort doch die Ordnung endlich hätte richtig sein müssen, nachdem Imo gekommen war, sie einzurichten, indem er die Kloster- in Nordstraße umbenannte? Oder lag das Problem gar in der Vier selbst? Das Krumme wäre dann nichts als dessen Ausdruck, die krumme Wahrheit der in sich krummen Vier. Auch die gerichtete Vier hat es in sich. Nur zu bald entspringt dem richtig Gerichteten das Richtende, der richtende Rächer... |
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