Woche der Brüderlichkeit Projekte |
Lachhafte Vier |
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Wie könnte dem Zuschauer jene Katharsis zu Teil werden, die schließlich auch in der gezielten Absicht des Regisseurs liegt? Meine versuchsweise vorgetragene Antwort lautet: Es wird eine vielleicht gelingende Ausdeutung der Drei sein, die Drei, begleitet vom kathartischen Klang einer Flöte, von der die Oper schließlich ihren Namen hat, das "Spiel mit der Zahl drei" (Zauberflötenzauber, S. 47), dem sich Imo Moszkowicz von Anfang an fast schon wie besessen hingab. 1986 in Salzburg brachte er es schließlich so auf die Bühne, dass "Mozart" selbst in einem fiktiven Telefonat Jahrzehnte später beim Vergleich mit Zürich 1976 lobt: "Die dreieckige Lösung und die afrikanischen Materialien zeigten viel genauer, was Sie sich gedacht hatten." "Die `magische Drei´ (S. 109) - was könnte es mit ihr für Imo Moszkowicz auf sich haben?", befragte ich zunächst das Biographie-Gespenst im Wissen darum, dass es um eine Deutung der Drei nicht vordergründig im Sinne Mozarts, sondern im Sinne der Textur, des Gespinstes der Gespenster, gehen müsse. Die Antwort kam prompt: "Jesajas Vier war ein Desaster, die Faszination der Drei darauf die Antwort!" Und es erzählte mir zusammen mit dem Gespenst des Archivs beider Deutung der Geschichte vom Fettwanst in Polizeiuniform, der zwei verschiedene Stiefel anhatte. Wir waren am Grund des Lachens der Moszkowicz-Kinder, einem Endpunkt des Labyrinths, angelangt. Das Ganze drehte sich um einen Verkehrspolizisten, besser: das Ganze der Ahlen-Welt Imos hätte sich darum drehen müssen. Dass das Ganze, das seine Mitte dort hatte, wo sich die Richtungen aus den vier Ecken der Erde kreuzten, eben nicht darum drehte, war das zentrale Problem des kleinen Imo: Nicht nur die Nordstraße war krumm, sondern auch die Mitte der Vier selbst war out of joint, aus den Fugen geraten, war keine Mitte mehr: Der Verkehrspolizist stand nicht auf dem Punkt, wo die Winde sich kreuzen, er stand da, wo - etwa zwanzig Meter weiter - die Nordstraße in die Oststraße einglitt. Wie ungerecht und falsch! Ich traute mich nicht, auf den fetten Schutzmann zuzugehen, um seine Position zu korrigieren, denn Lehrer Tint hatte gemahnt `nicht zu klug zu sein´. Hätte denn der Schutzmann nicht das Zeichen sein können, von dem Jesaja gesagt hat: `Und er wird ein Zeichen einrichten unter den Völkern...´? Hätte der Polizist als dieses Zeichen tatsächlich ein Schutzmann sein können? Buber-Rosenzweig übersetzen den Anfang von Jesaja 11, 12: Ein Banner hebt er den Weltstämmen zu..." Schutz? Im wörtlicheren Banner steckt wohl eher Kriegslust als im blassen Zeichen. Der folgende Vers 12 lässt solche Lust als Versprechen künftiger Kriege im Namen des eingöttlichen Zentrums in alle vier Ecken der Erde verheißene Tat werden: Ephraim..., Juda... - Verheißung kriegerischen Siegs, deren Prämisse allerdings für Imo bereits falsch war, ungerecht und falsch, agierte der kriegsgewaltige Bannerträger des Herrn doch von einem Standort out of joint. Das Desaster der Vier war das Desaster dieser verfehlten Mitte, einer sich verfehlenden Mitte, wie wir gleich sehen werden, kurz - ein Irrtum, der nichts mehr geregelt bekam: Also blieb ich als Betrachter eines Irrtums vor der gewaltigen Marienkirche - die immer etwas Schmuddeliges an sich hatte, weil ihre Steine auf mich wirkten, als wären sie mit ranziger Schuhcreme beschmiert - stehen und beobachtete das irritierte Zusammentreffen der verschobenen ´vier Ecken der Erde´. Der fette Polizist verrenkte sich in gewissen Zeitabständen, um den Verkehr nach dort und nach dahin freizugeben. Und es war komisch, dass er das auch tat, wenn gar keine Autos in Sicht waren. Dann drehte er - wie ein Jongleur - den bedrohlichen Gummiknüppel um seine Hand, um, plötzlich, die flinke Bewegung stoppend, den Querverkehr, der gar nicht mehr da war, freizugeben. Nicht jedoch diese aktionistische Farce, sondern etwas anderes löste beim kleinen Imo jenen Lachzwang aus, der sich bis ins Gelächter meiner Geschwister Luft machen sollte: Der Fettsack hatte zwei verschiedene Stiefel an! Nicht nur die Nordstraße war krumm, die Mitte verschoben und das Ganze deshalb aus den Fugen, sondern sogar auch die falsche Mitte selbst, SEIN vermeintliches Zeichen in der verirrten Mitte der Welt war out of joint, bezeichnend gezeichnet von den verschiedenen Stiefeln, von menschlichem Witz als dümmliche Witzfigur demaskiert: Der Intelligenteste unter uns, unser David, fragte, was der Polizist wohl sagt, wenn er zu Hause noch so ein Paar ungleicher Stiefel findet. "Bestimmt wird er sie unserem Vater bringen...", dozierte er nachdenklich, "...damit er ihm zu jedem Paar einen neuen passenden Stiefel mache." Selbst meine gespenstischen Informanten lachten lauthals über so viel menschlichen Witz. Die Vier mit ihrem eingöttlichen Gehabe hatte jedenfalls gründlich abgewirtschaftet, war endgültig lachhaft geworden, unbrauchbar für "Gott, wenn er wieder Gott sein wird." (Imo Moszkowicz, Der grauende Morgen, Münster 2004, S. 130) Der Rest ist Lachen. Meine beiden Gespenster tuschelten miteinander. Was herauskam, war die Frage: Hatte Elie Wiesel, mit dem sich Imo Moszkowicz während ihrer gemeinsamen Zeit im KZ häufig und heftig über Gott stritt, vielleicht nicht ganz Unrecht? Elie Wiesel erklärte nämlich das Lachen als Folge eines Versehens, das Gott im Augenblick der Schöpfung unterlaufen sei: Als er den Menschen schuf, um ihn seinen Absichten unterzuordnen, verlieh er ihm aus Versehen die Gabe des Lachens. Er wusste nicht, dass dieser Erdenwurm sich seiner später als Mittel der Rache bedienen würde." Hatte Davids Witz, die Enttarnung des out-of-joint-Seins der göttlichen Mitte im Gelächter der Moszkowicz-Kinder, diese Rache vollstreckt? Sie hätte das out-of-joint-Sein dieses Gottes selbst entlarvt. "Wenn das keine Rache ist...", grinsten meine Gespenster und lachten wie die Kinder. |
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