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Kosov@
Schlacht auf dem "Amselfeld"

Drei Artikel - Ein Mythos bringt Tod und Zerstörung, Deklaration des Kongresses serbischer Intellektueller und Jasenovac - das "Auschwitz des Balkans" - befassen sich mit der Schlacht auf dem "Amselfeld" im Jahre 1389 und ihrer Bedeutung für den heutigen Konflikt.
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Marie-Janine Calic
Schlacht auf dem "Amselfeld" 
Ein Mythos bringt Tod und Zerstörung

Die Autorin gibt Basisinformationen zur Bedeutung des Kosovo vor allem für die serbische nationale Identität. Marie-Janine Calic ist Balkan-Referentin bei der Stiftung Wissenschaftr und Politik in Ebenhausen.

Der Kosovo war Kern des serbischen Königreiches, das zu Beginn des 12. Jahrhunderts zur Hegemonialmacht auf dem Zentralbalkan aufstieg. Zudem entwickelte sich der Kosovo seit dem frühen 13. Jahrhundert zum religiösen und kulturellen Mittelpunkt der Serben, woran prachtvolle Kirchen und Klöster erinnern. Weil es dem serbisch-orthodoxen Patriarchat von Pec gelang, das geistig-kulturelle Erbe der Serben durch die Jahrhunderte der osmanischen Fremdherrschaft zu retten, sind orthodoxe Religion und serbisches Nationalbewußtsein unauflösbar miteinander verknüpft.

Der Untergang des serbischen Heeres auf dem Amselfeld (=Kosovo polje) bildet den Kern des durch die Volkskultur und Literatur überlieferten Kosovo-Mythos. Am Sankt-Veits-Tag 1389 (28. Juni) hatte sich der serbische Fürst Lazar mit seinen Verbündeten dem Herrscher der Osmanen, Sultan Murat I., zur Entscheidungsschlacht gestellt. Nach erbittertem Kampf geriet Lazar mit seinem Gefolge in Gefangenschaft und wurde noch auf dem Schlachtfeld hingerichtet, die 500jährige Fremdherrschaft der Osmanen begann. Seither gilt Kosovo als Symbol für die jahrhundertelange Leidensgeschichte des serbischen Volkes.

Im 19. Jahrhundert wurde der Kosovo-Mythos zur Legitimations-Ideologie der serbischen Nationalbewegung. Bis heute fungiert der Kosovo als Metapher für den Kampf des serbischen Volkes für seine Identität, Unabhängigkeit und Einheit. Der Mythos versinnbildlicht gleichzeitig die patriotischen Ideale von Tapferkeit, Heldenmut und Opferbereitschaft. Er wird benutzt, um politische Ziele zu rechtfertigen und an den Zusammenhalt der Nation zu appellieren. Unter Verweis auf die Geschichte wird gegenwärtig suggeriert, daß die serbische Nation unter den Angriffen feindlicher Mächte eng zusammenrücken müsse, um ihr Überleben zu sichern.

Auch die Albaner verbinden mit dem Kosovo wichtige Stationen ihrer Nationalgeschichte und betrachten die Region als ureigenstes Land. Nationalbewußte Historiker behaupten, daß die Albaner Nachfahren des antiken Illyrer-Volkes und somit bereits vor den Serben im Kosovo zu Hause gewesen seien. Damit besäßen sie auch die älteren Rechte an der Provinz. Auf serbischer Seite wird dagegen argumentiert, daß im Zuge der großen Wanderungsbewegungen des 17. Und 18. Jahrhunderts Serben in großer Zahl vor den Osmanen geflohen seien und die Albaner erst danach in deren Siedlungsgebiete nachrückten. Heute lassen sich die Bevölkerungsverschiebungen nicht mehr eindeutig rekonstruieren. Tatsache jedoch ist, daß der Teil der serbisch-orthodoxen Bevölkerung im Kosovo zurückging, während der der Albaner stark zunahm [...]

Milosevic setzte den Kosovo-Mythos seit 1987 neu in Szene, unterstützt von serbischen Intellektuellen (siehe: Man hätte es wissen können... II). Den 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld nutzte er, um vor einer Million Serben mit Hilfe des Kosovo-Mythos den serbischen Nationalstolz anzuheizen. In einer aufsehenerregenden Rede beschwor er die Wiedergewinnung des serbischen Kosovo. Die Albaner begriffen dies als Kampfansage.

(Süddeutsche Zeitung vom 17./18. April 1999)

(Dietmar Hecht)

Siehe auch:

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