Forum Brüderlichkeit
 
InfoNetz Ahlen Impressum Vernetzung

Woche der Brüderlichkeit
- 1999
- 2000
- 2001
- 2002
- 2003
- 2004
- 2005
- 2006
- 2007
- 2008
- 2009

Projekte
- Kosov@
- Zwänge d. Erinnerung
- Islam
- Israels Muskeljuden
- Auschwitz-Tag 2004
- Talmud-Projekt
- 9. November 2004
- 60 Jahre Kriegsende
- 9. November 2007

Vierecke

Gegen ein Feindbild Islam
Forum

Geschichtskurs der Jahrgangstufe 11 am Gymnasium St. Michael, 31. 10. 2001: "Wegzeichen" (Sayyid Qutb) - Stellungnahmen zu einem islamistischen Basistext
Logo
Linie

Hallo, hier meldet sich der Geschichtskurs (Jgst 11) am Gymnasium St. Michael. Nach den Terroranschlägen in den USA haben wir uns das Kursthema gewählt "Die islamische Welt und der Westen". Es geht uns um Fragen wie: Wodurch hat "der Westen" so viel Hass, Ressentiment und Rachegefühle in islamischen Ländern provoziert? Aber auch: Waren Top-Terroristen der letzten Jahrzehnte bloß "zufällig" Moslems? Haben die Geistlichen, die laut BKA am Freitag letzter Woche (26. 10. 01) in deutschen Moscheen sechs Wochen nach den Anschlägen vom 11. September dreist zum "Heiligen Krieg" gegen die USA aufriefen (Köln, Hamburg, Bremen, Frankfurt) ihre eigene Religion wieder einmal nur "missverstanden"? Als Kursleiter habe ich persönlich zu diesem Fragenkomplex Stellung genommen in meinem Internet-Essay "Kuschel-Moslems und Heilige Killer" (eZine "Atalante 4" - "Ground Zero"), "Wir sind Türken, wir sind Moslems! Ihr seid Nazis, ihr seid Dreck! - Moslempower!"

So konnte man es bereits während des Golfkriegs 1991 auf Ahlens Häuserwänden lesen. Inzwischen sind nach einer jüngsten Studie der Uni Bielefeld ein Drittel der türkischen Jungen bereit zu religiös motivierter Gewalt, ein dankbares Publikum also für Aufrufe wie die vom 26. 10. Laut einer Untersuchung der FU Berlin begeistern sich mehr als zwei Drittel moslemischer Jugendlicher in Deutschland für die Scharia in deren fundamentalistischer Interpretation einer gottesstaatlichen Rechtsordnung. Mehr dazu: "Kreuzzug, Türken, Moslempower"

Nur komplett abgedrehte Multikulti-Christen meinen, Moslems ständig darüber aufklären zu müssen, wie friedferig doch ihr "eigentlicher" Islam sei. Anstatt dauernd nach diesem "Eigentlichen" des Islam Ausschau zu halten und christliche Friedensinterpretationen des Koran zu lesen, haben wir uns als Geschichtskurs erst einmal an die nicht ganz so friedlichen, konkreten Ereignisse vom 11. September gehalten und sie historisch einzuordnen versucht: Opferflug in Pharaos Haus

Gegen Ende dieses Textes ist in einem Zitat des syrischen Rechtssoziologen Bassam Tibi (z.Zt. Göttingen/Harvard) von einer Spaltung im islamischen Geschichtsbild die Rede. Tibi nennt das "manichäische Dichotomie" (Tibi, Einladung in die islamische Geschichte, 2001) Gemeint ist die Zeit der "Jahiliyya" (=die Zeit der "Unwissenheit" vor Mohammed) einerseits und die Zeit des Islam andererseits. Beide stehen sich wie "das Böse" und "das Gute" unversöhnlich gegenüber. Dieser Spaltung der Zeit entspricht eine Spaltung des Raums in "Dar al-Islam" (das "Land des Friedens") und "Dar al-Harb" (das "Land des Krieges"). Das sind die wissenden Gläubigen, die untereinander im Frieden leben, und die "unwissenden" (Jahiliyya-)Ungläubigen, mit deren "Dar al-Harb" ein Kriegszustand besteht.

Wir haben uns nun weiter angesehen, wie Sayyid Qutb, einer der Propheten des Islamismus (hingerichtet 1966), diese traditionelle Spaltung von Raum und Zeit auf unsere heutige Welt überträgt. Bassam Tibi nennt das "invention of history". Wie es sich für einen Geschichtskurs methodisch gehört, liegt uns der Text von Qutb als Quelle vor (in: Gilles Kepel, Der Prophet und der Pharao). Er ist der Schrift "Wegzeichen" entnommen, die Qutb kurz vor seiner Hinrichtung in einem ägyptischen Gefängnis schrieb. In der wissenschaftlichen Diskussion wird "Wegzeichen" als islamistischer Basis-Text gewertet: "Wegzeichen": Das islamistische Jahiliyya-Modell

Zu diesem Text aus "Wegzeichen" werden wir in fünf Arbeitsgruppen Stellung nehmen. Dabei orientieren wir uns an folgenden vier Problemfeldern:

  1. Jahiliyya und Recht: Qutb unterscheidet zwischen der "Arglosigkeit" der ersten (historischen) Jahiliyya und der (modernen) "Anmaßung" des Menschen in der heutigen Jahiliyya, wenn es um "Werte und Gesetze" geht. Wie beurteilen wir das aus der Sicht des modernen europäischen Verfassungsrechts?
  2. Jahiliyya und Gewalt: Qutb spricht von der "Würde, die Gott dem Menschen verliehen" hat und von der "Erniedrigung" des Menschen durch Kapitalismus und Kolonialismus. Welche konkreten historischen Erfahrungen könnten hinter dieser Kritik stehen? Halten wir die Kritik auf diesem Hintergrund für gerechtfertigt? Wenn Kapitalismus und Kolonialismus der göttlichen Ordnung widersprechen, ist dann Gewalt im Namen Gottes legitim?
  3. Jahiliyya und Islam: "Wir wissen um etwas vollständig Neues, von dem die Menschheit nichts weiß." Mit dieser Aussage wendet sich Qutb nicht nur gegen den Westen, sondern bezieht auch den traditionellen Islam in die Jahiliyya-Welt mit ein. Zu welchem Urteil kommen wir dann über das Verhältnis von Islamismus und Islam?
  4. Jahiliyya und islamistische Gruppen: Am Schluß geht Qutb auf die künftige "Avantgarde" ein, für die er "Wegzeichen" geschrieben habe. Wie sollten sich die westlichen Gesellschaften dieser neuen, islamistischen "Avantgarde" gegenüber verhalten? Ist ihr Programm einer "Zerstörung der Jahiliyya" grundsätzlich abzulehnen? Sehen wir auch positive Aspekte? Welche?

Stellungnahmen

AG I  | AG II | AG III | AG IV | AG V

Nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" ist der Islam selbst der natürliche Verbündete des Westens gegen den Islamismus. Um dafür ein Verständnis zu entwickeln, seien die englischsprachigen Pages auf der türkischen Website empfohlen. In Ahlen (Rottmanstrasse 12) wird die dort nachzulesende Position von der "Jama´at un-Nur" (Nurculuk) vertreten. Weitere Infos dazu: "Islam in der Rottmannstraße 12"

Diese Ahlener Moslemgruppe, die sich auf Said Nursi zurückführt, wird hinter vorgehaltener Hand oft als "tendenziell fundamentalistisch" beargwöhnt. Andererseits bietet ihre Internetplattform die Möglichkeit des Zugangs für ein Gespräch. Das kann leider weder von der "offiziellen" Moschee (Rottmannstraße 62), noch von den "Süleymanisten" (Im Herbrand 1) gesagt werden. Die Bereitschaft der Nurculuk für ein klares Gespräch mit klaren Positionen (kein Multikulti-Geschwätz ohne Inhalt) hat sich bereits mehrfach erwiesen. Vielleicht könnte diese Tradition fortgesetzt werden unter dem Gesichtspunkt: Der Islam und der Westen gegen den Islamismus!

Dietmar Hecht (Kursleiter)

People  
Viereck People Viereck
  People