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Vierecke

Woche der Brüderlichkeit 1999
"Die Frau des Rabbiners"

So lautet die selbstironische Überschrift eines Kapitels in Evelyn Friedlanders Buch "Ich will nach Hause, aber ich war noch nie da. Eine jüdische Frau sucht ihr verborgenes Erbe."
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Mit einer Ansprache Frau Friedlanders war die "Ahlener Woche der Brüderlichkeit" 1998 im Goldschmiedemuseum eröffnet worden. Als jetzt ihr Mann, Rabbiner Albert Friedlander gebeten wurde, nach der Podiumsdiskussion "Katholische Tradition - Jüdisches Leben" an einem Büchertisch seine Veröffentlichungen zu signieren, meinte er: "Nur dann, wenn auch das Buch meiner Frau dort liegt!"

Aus diesem Buch ist folgender Text entnommen. Er möchte zum Weiterlesen anregen:

Das Christentum hat zwar krampfhaft versucht, sich vom Judentum abzusetzen, aber seine Wurzeln sind eindeutig jüdisch. Es ist kaum faßbar, wie Christen es fertiggebracht haben, diese Wurzeln jahrhundertelang zu verschütten und zu leugnen. Wenn man sich von seinem Erbonkel absolut freimachen will, muß man ihn offenbar treten und je brutaler, desto besser. Vielleicht muß man das nicht, aber so ist die menschliche Natur. Juden sind keine besseren Menschen, aber sie hatten im Lauf der Geschichte nie genügend Macht, um ihrerseits Christen zu malträtieren...

Nur die Gelehrten interessieren sich für die christliche Lehre, von Joseph Klausner bis Schalom Ben-Chorin, sonst nur wenige. Es gibt mehr Christen, die sich für den jüdischen Glauben interessieren als umgekehrt. Besonders auffällig ist letzteres in Deutschland, trotz einer aktiven Gesellschaft für jüdisch- christliche Zusammenarbeit. Schon der Name ist unzutreffend.

Es ist eine christliche Gesellschaft, die sich für das Judentum interessiert. Sie lebt in der Illusion, einen wirklichen Dialog zu führen. Es könnte, es muß ein wirklicher Dialog erst werden. Nur müssen wir dann vieles gründlich verändern und viel Neues schaffen. Auch die Dimension des Dialogs mit den Moslems müßte hinzukommen...

Ich warte immer noch darauf, daß ich in meiner jüdisch-christlich-islamischen Frauengruppe in London von den Christinnen dafür kritisiert werde, daß ich das Neue Testament so wenig kenne. Aber sie trauen sich wohl nicht, eine Jüdin anzugreifen. in Deutschland wäre das verständlich. Es gibt vieles, was ein Deutscher nie zu einem Juden sagen kann. Deshalb müssen viele Themen von jüdischer Seite angesprochen werden, wenn sie zur Sprache kommen sollen. Aber diese Dialog-Gruppe? Wir sind in England und die Christinnen sind Engländerinnen! Aber sie schleppen ein Päckchen mit sich herum, ob man es nun Schuldgefühle nennt oder ob es einfach das Bleigewicht der Geschichte ist. Man könnte ja auch sie fragen: Was habt ihr denn getan, als man die deutschen Juden ins KZ trieb? Die Antwort müßte "nichts" lauten. Oder fast nichts.

Albert wurde unlängst in Italien zum Internationalen Ehrenpräsidenten der Weltkonferenz für Religion und Frieden gewählt, obwohl er nicht einmal anwesend war. Ich sah die Liste der Teilnehmer, es waren rund neunhundert aus aller Welt, und auch die Kandidatenliste war ellenlang. Ich fragte Albert, wieso denn er gewählt worden sei. Und er antwortete: "Ich glaube, die brauchten einen Juden." Daran läßt sich ablesen, daß nicht nur Deutsche eine besondere Verpflichtung gegenüber Juden empfinden."

Evelyn Friedlander, Ich will nach Hause, aber ich war noch nie da. Eine jüdische Frau sucht ihr verborgenes Erbe, Freiburg 1996, 157-160.

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